Frau Dr. Stift besucht privat ein Musikfestival. Plötzlich kippt der Schlagzeuger vom Hocker. Frau Dr. Stift klettert sofort auf die Bühne. Sie stellt massives Organversagen fest und beginnt unverzüglich mit der Reanimation. Nach kurzer Zeit kommen auch die vor Ort anwesenden Sanitäter auf die Bühne. Sie machen ihr unmissverständlich klar, dass sie nun das Sagen haben. Frau Dr. Stift lässt sich von den Sanitätern verdrängen und verlässt die Bühne. Als der Schlagzeuger nach 25 Minuten zum Veranstaltungsarzt ins Sanitätszelt gebracht wird, ist es jedoch zu spät: Er kann nicht mehr vollständig reanimiert werden, fällt ins Wachkoma und verstirbt vier Jahre später schließlich.
Obwohl Frau Dr. Stift zunächst richtig reagiert hat, wird sie wegen unterlassener Hilfeleistung belangt. Der Vorwurf: Sie hätte sich niemals von der Bühne drängen lassen dürfen. Als Fachärztin für Innere Medizin hätte sie wissen müssen, dass nur eine ununterbrochene Reanimation des Schlagzeugers hätte helfen können. Zudem fehlte eine Arzt-zu-Arzt-Übergabe, die über den Gesundheitszustand des Schlagzeugers ausreichend hätte informieren können.
Ergebnis: Das Strafverfahren gegen Frau Dr. Stift wird schließlich eingestellt, die Schadensersatzforderungen bleiben jedoch bestehen. Zum Glück hat Frau Dr. Stift eine Berufshaftpflicht-Versicherung, die auch das sogenannte „Restrisiko" abdeckt. Schäden aus einer Notfall|behandlung sind dadurch mitversichert.
Frau Wald kommt mit Magenbeschwerden in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Sie klagt über Schmerzen im Unterbauch und erzählt, dass sie am Tag zuvor Pilze gesammelt und diese abends selbst zubereitet und gegessen habe. Die diensthabende Ärztin im Krankenhaus, Frau Dr. Müller, behandelt Frau Wald aufgrund der beschriebenen Schmerzen auf eine „normale Gastroenteritis“, also eine Magen-Darm-Grippe.
Als die eigentliche Ursache für die Schmerzen, die Pilzvergiftung, bemerkt wird, ist die Leber der Patientin bereits komplett zerstört. Diese kann nur durch eine Lebertransplantation gerettet werden. Gegen den Krankenhausträger werden Schadensersatzforderungen in Höhe von 300.000 Euro gestellt.
Ergebnis: Der Krankenhausträger entschädigt die Schadensersatzforderungen zunächst. Da der Krankenhausträger das Haftpflichtrisiko der Angestellten nicht versichert und Frau Dr. Müller grob fahrlässig gehandelt hat, kann er sie jedoch nach den Regeln des „innerbetrieblichen Schadensausgleichs“ in Regress nehmen und die Schadensaufwendungen komplett zurückfordern.
Herr Flach stellt sich wegen starker, brennender Brustschmerzen und Atemnot bei seinem Hausarzt vor. Der angestellte Facharzt schreibt ein EKG und nimmt Blut ab. Danach verabreicht er ihm ein Schmerzmittel und schickt ihn mit einer Packung Ibuprofen 600 nach Hause. Am folgenden Tag fällt Herr Flach zu Hause plötzlich vornüber und kann vom herbeigerufenen Notarzt nicht mehr reanimiert werden.
Die Angehörigen stellen aufgrund eines Behandlungsfehlers Schadensersatzforderungen in Höhe von 150.000 Euro zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche gegen den niedergelassenen und den angestellten Arzt. Die anschließende Obduktion bestätigt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein akutes Koronarsyndrom bestanden hat, das eine kontinuierliche Monitorüberwachung und eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus erfordert hätte. Der behandelnde angestellte Arzt hat damit grob fahrlässig gehandelt.
Ergebnis: Der Berufshaftpflichtversicherer des niedergelassenen Arztes leistet eine Ausgleichszahlung an die Angehörigen. Da der angestellte Arzt in diesem Vertrag im Rahmen seiner persönlichen gesetzlichen Haftpflicht nicht mitversichert ist und auch keine eigene Berufshaftpflichtversicherung hat, kann der Versicherer des niedergelassenen Arztes ihn nach den Regeln des innerbetrieblichen Schadensausgleichs in Regress nehmen.
Der Zahnarzt Dr. Kauer führt bei seiner Patientin, Frau Meier, an zwei Zähnen Wurzelbehandlungen durch und erneuert die Keramikfüllungen. Aufgrund von wiederkehrenden Schmerzen an einem Zahn muss die Wurzelbehandlung wiederholt und auch das Keramik-Inlay entfernt und neu eingesetzt werden. Kurze Zeit später erscheint Frau Meier erneut mit Schmerzen in der Praxis. Dr. Kauer verweist darauf, dass es sich um Anpassungs- und Übergangsschmerzen handele, die nach einer Keramikfüllung durchaus auftreten können. Da sich Frau Meier bei Dr. Kauer nicht mehr gut aufgehoben fühlt, geht sie zu einem Kollegen. Dieser muss die zwei entzündeten Zähne komplett entfernen und Implantate einsetzen.
Zwar kann Dr. Kauer kein Behandlungsfehler bei der Wurzelbehandlung und Keramikfüllung nachgewiesen werden – das Gericht stellt jedoch fest, dass er auf die Schmerzen der Patientin nicht hinreichend reagiert habe, und nimmt eine Umkehr der Beweislast vor: Dr. Kauer muss beweisen, dass Frau Meier bei rechtzeitig erhobener Diagnose und Behandlung die zwei Zähne nicht verloren hätte.
Ergebnis: Dr. Kauer gelingt der Beweis nicht. Er muss für die Implantate und für die erlittenen Schmerzen haften. Glücklicherweise verfügt er über eine Berufshaftpflichtversicherung. Diese übernimmt die Prüfung des Falls inklusive des Schriftwechsels mit Patient und Kasse sowie der Beauftragung eines Gutachters. Zudem zahlt sie die Laborkosten für die Neuanfertigung des ersten Implantats, die vollständigen Kosten des aufgrund der Parodontitis notwendigen zweiten Implantats sowie das Schmerzensgeld.
Selbstverständlich gibt es keinen 100%igen Schutz vor Fehlern, doch einige grundlegende Regeln helfen, viele Schäden von vornherein zu vermeiden.
Regelmäßige Fachlektüre und Weiterbildung stellen sicher, dass jederzeit aktuellste Standards bei Diagnose und Therapie eingehalten werden. Arbeitsdiagnosen sollten immer sorgfältig überprüft und im Zweifelsfall mit Kollegen anderer Fachrichtungen besprochen werden. Auch eine reibungslose Ablauforganisation ist entscheidend: Anrufe müssen zuverlässig durchgestellt, Unterlagen vorschriftsgemäß aufbewahrt und Postsendungen persönlich vorgelegt werden. Die regelmäßige Wartung aller medizinischen Geräte und die Einhaltung der Hygienevorschriften sind eine Selbstverständlichkeit.
Unterläuft der MFA, ZFA oder TFA ein Fehler, muss der Arzt geradestehen. Daher sollte das Praxispersonal sorgfältig ausgewählt, angeleitet und kontrolliert werden. Im Krankenhaus gilt es, junge und unerfahrene Ärzte anzuleiten und bei der Arbeit zu beaufsichtigen. Delegiert werden darf erst, wenn die Befähigung des Arztes sicher dem Facharztstandard entspricht!
Vor der Behandlung muss Zeit für ein ausführliches Aufklärungsgespräch sein. Nur so ist gewährleistet, dass sich der Patient oder der Tierbesitzer über alle Risiken der geplanten Behandlung vollständig im Klaren ist. Im Gespräch sollten Befunde, Behandlungsalternativen, mögliche Komplikationen und auch die Folgen einer eventuellen Nichtbehandlung besprochen werden. Demonstrationsmaterial wie Lehrbücher oder die Aufklärungsbögen der Fachverlage helfen bei Verständnisproblemen. Und ganz wichtig: Der Patient sollte immer ausreichend Gelegenheit für Nachfragen und eigene Überlegungen haben!
Ärzte sind verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen. Dazu gehören insbesondere Anamnese, Diagnose, Untersuchungen und ihre Ergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen sowie Eingriffe und ihre Wirkungen. Doch auch das Aufklärungsgespräch muss ggf. später bewiesen werden! Dafür ist es unerlässlich, sämtliche Schritte der Aufklärung schriftlich zu dokumentieren und sich das Verständnis des Patienten oder Tierbesitzers schriftlich bestätigen zu lassen.
Schadensersatzforderungen können auf unterschiedlichen Wegen geltend gemacht werden. Der Patient oder der Tierbesitzer kann eine Entschädigungsforderung stellen oder um Einsicht in die Krankenakte bitten. Der Arzt kann ein Schreiben von einem beauftragten Rechtsanwalt, einer Schlichtungsstelle oder einer Krankenkasse erhalten. Es kann ein Mahnbescheid oder eine Klage zugestellt werden, ein selbstständiges Beweisverfahren oder Strafverfahren eingeleitet werden. In allen Fällen heißt es vor allem, einen kühlen Kopf zu bewahren und einige wichtige Tipps zu beachten!
Patrick Weidinger ist Rechtsanwalt bei der Deutschen Ärzteversicherung und Spezialist im Arzthaftungsrecht. Im Interview gibt er viele weiterführende Tipps, mit denen Human-, Zahn- und Tiermediziner beim Thema Haftung auf der sicheren Seite sind.
Besteht im Schadensersatzfall noch ein persönliches, privates Risiko für den Arzt? Patrick Weidinger erläutert mögliche strafrechtliche Folgen und zeigt, wie Berufshaftpflicht- und Rechtsschutzversicherung hier ineinandergreifen.
Redaktion: Herr Weidinger, dass ärztliche Kunstfehler zu Schadensersatzbeträgen in Millionenhöhe führen können, ist ja bekannt. Angenommen, die Haftpflichtversicherung bezahlt einen solchen Schaden. Besteht dann noch ein persönliches, privates Risiko für den Arzt bzw. die Ärztin?
Patrick Weidinger: Obwohl in Ihrem Fall finanzieller Schutz bestand, so wie ihn die Heilberufegesetze und die Berufsordnungen fordern, ist Ihre Frage sehr berechtigt. Zum einen müssen Mediziner erst einmal psychisch verarbeiten, dass Sie einen Patienten geschädigt haben. Zum anderen kann ein Behandlungsfehler aber auch Rechtsfolgen außerhalb des Schadensersatzes haben.
Redaktion: An welche Folgen denken Sie?
Patrick Weidinger: Vor allem an die Verurteilung zu einer Geld- oder Gefängnisstrafe, aber auch an die berufsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Auswirkungen eines solchen Strafverfahrens. Möglich sind hier eine Verweigerung der Niederlassung, eine arbeitsrechtliche Suspendierung, ein Widerruf der Approbation, ein Entzug der Kassenzulassung und sogar ein Berufsverbot. Und ich denke an die medialen Folgen. Nach der Strafprozessordnung sind Strafverfahren öffentlich, und so gelangt man schnell in die Presse oder ins Fernsehen.
Redaktion: Hat man für Strafverfahren Schutz über die Berufshaftpflichtversicherung?
Patrick Weidinger: Diesen Schutz hat man, wenn die Berufshaftpflichtversicherung wie in unserem Haus einen erweiterten Strafrechtsschutz enthält. Wir übernehmen in einem Strafverfahren wegen eines Ereignisses aus ärztlicher Tätigkeit die Gerichtskosten sowie die gebührenordnungsmäßigen, gegebenenfalls auch besonders vereinbarte, höhere Kosten der Verteidigung. Was wir natürlich nicht übernehmen, ist die Strafe selbst.
Redaktion: Gibt es bei diesem erweiterten Strafrechtsschutz noch etwas Besonderes für unsere Kunden?
Patrick Weidinger: Ja, die Aufwendungen werden nicht als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet. Zudem haben wir den Versicherungsschutz gegenüber der Haftpflichtdeckung erweitert. Ist zum Beispiel nur die außerdienstliche Tätigkeit haftpflichtversichert, bezieht sich der erweiterte Strafrechtsschutz trotzdem auf die komplette, also auch die dienstliche Tätigkeit.
Redaktion: Jetzt gibt es aber auch noch die Rechtsschutzversicherung. Könnten Sie bitte einmal den Unterschied zwischen dem Strafrechtsschutz der Berufs-Haftpflichtversicherung und dem der Rechtsschutzversicherung erklären?
Patrick Weidinger: Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass die Berufshaftpflichtversicherung für Strafverfahren zuständig ist, die sich aus dem Haftpflichtrisiko ergeben, also insbesondere aus Behandlungsfehlern. Die Rechtsschutzversicherung ist allgemeiner, sie ist – je nach Versicherungsbedingungen – zum Beispiel auch zuständig für Verfahren wegen eines fahrlässigen Steuervergehens oder hilft, einen unberechtigten Verdacht auf eine Datenschutzverletzung auszuräumen.
Redaktion: Heißt dies, es gibt kein „Entweder-oder“?
Patrick Weidinger: Richtig. Die Zielrichtung ist ja jeweils eine andere, d. h. der Arzt benötigt eine Berufshaftpflichtversicherung und sinnvollerweise eine arztspezifische Rechtsschutzversicherung.
Was mir noch sehr wichtig ist: Man sollte in Strafverfahren immer alle Möglichkeiten nutzen, um eine Eröffnung eines Hauptverfahrens und erst recht eine Verurteilung zu vermeiden, zur Not, also wenn keine Versicherung besteht, auch auf eigene Kosten.
Ärzte haften gegenüber Patienten grundsätzlich persönlich, d. h. mit ihrem Privatvermögen. Haftungsfälle bedrohen daher nicht nur die berufliche Existenz, sondern können auch ganz schnell in den privaten Ruin führen.
Neben dem klassischen Behandlungsfehler sind vor allem Mängel bei der Aufklärung oder der Dokumentation Auslöser für Haftungsfälle. Schadensersatzansprüche können aber auch in völlig unerwarteten Situationen entstehen, wie der oben geschilderte Fall der Ärztin beim Musikfestival zeigt.
Oft hilft schon ein einfühlsames, respektvolles Gespräch, den Verdacht eines Behandlungsfehlers aus der Welt zu schaffen. Wichtig ist, den Patienten oder Tierbesitzer ernst zu nehmen und ihm Zugang zu allen Sachinformationen zu geben, die zur Klärung der Lage beitragen.
Wichtig ist vor allem, einen klaren Kopf zu bewahren und keine vorschnellen Haftungsanerkenntnisse oder Schuldeingeständnisse abzugeben. Auch sollten Wiederspruchs- und Gerichtsfristen unbedingt eingehalten werden, um weiteren Ärger zu vermeiden. Haftpflichtversicherer helfen von Anfang an weiter, wenn Schadensersatzansprüche im Raume stehen.
Ein Humanmediziner hat andere Bedürfnisse als ein Zahn- oder Tierarzt, ein Berufsanfänger in der Klinik andere als ein etablierter Kollege in der eigenen Praxis. Vor der Wahl des passenden Versicherungsschutzes steht daher ein ausführliches Beratungsgespräch beim Haftpflichtversicherer, das die individuellen Bedürfnisse und Voraussetzungen genau abklopft.
Nutzen Sie den bequemen Onlineweg! Wir leiten Ihre Anfrage direkt an den zuständigen Experten weiter. Alternativ können Sie auch einen Repräsentanten in Ihrer Nähe suchen oder Sie rufen uns an. Wir kümmern uns um Sie!