Dr. Tim Kraft: Bewertungsportale geben Orientierung und sind gute Werbung. Im besten Fall sorgen sie dafür, dass ein potenzieller Patient Vertrauen fasst und sich für gerade diesen Arzt entscheidet. Aber das wirkt natürlich genauso anders herum. Ist die Bewertung schlecht, wird der Patient zu einem anderen Arzt gehen.
In den Bewertungen findet sich wirklich die ganze Bandbreite unserer Gesellschaft wieder. Entsprechend unterschiedlich sind die Fälle, mit denen Mandanten zu uns kommen. Das reicht vom Arzt als Arbeitgeber, der als „misogyner Tyrann“ beschimpft wird, bis hin zu der Ärztin, der fehlende Kompetenz und mangelndes Einfühlungsvermögen attestiert wird.
Der aus meiner Sicht wohl erstaunlichste Fall war der, bei dem ein Arzt systematisch sämtliche Konkurrenten seiner Region mit erfundenen schlechten Bewertungen überzogen hat. Generell sind frei erfundene „Fake-Bewertungen“, bei denen es nie einen wirklichen Patientenkontakt gegeben hat, ein wesentlicher Teil der Fälle. Auf so gut wie allen Plattformen können Bewertungen anonym abgegeben werden. Das ist rechtlich zulässig und schützt den Bewerter, begünstigt aber eben auch „Fake News“.
Daneben gibt es Leute, die offenbar einfach das Bedürfnis haben, Dampf abzulassen und schlecht über ihren Arzt zu sprechen. Die Mandanten sind da häufig wütend, was ich gut verstehen kann. Wenn ich mich als niedergelassener Arzt mit Herzblut um das Wohl meiner Patienten bemühe, ist es schon ein Schlag, ohne triftigen Grund nur einen von fünf Sternen zu bekommen. Und beleidigen lassen will man sich ja auch nicht. Muss man aber auch nicht!
Für Mediziner am schwerwiegendsten ist meiner Meinung nach der Reputationsschaden. Daher ist das erste und wichtigste Ziel natürlich, falsche Bewertungen so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen.
Eine Option ist, eine Lösung im Dialog mit dem Bewerter zu finden. Oft weiß ein Arzt, welche Situation einer Bewertung zugrunde liegt, und kann den Patienten ansprechen. Idealerweise hat der Arzt danach eine schlechte Bewertung weniger und einen zufriedenen Patienten mehr. Aber so schön diese Lösung klingt, so unwahrscheinlich ist sie leider meistens.
Eine andere Möglichkeit ist, die schlechte Bewertung zu kommentieren. Dadurch können die Betroffenen zeigen, dass Kritik ernst genommen wird. Allerdings muss der Arzt oder die Ärztin da sehr aufpassen, den richtigen Ton zu treffen. Einen guten Kommentar auf eine schlechte Kritik zu schreiben, ist eine Kunst! Kommentare können sonst schnell als beleidigt, zickig und uneinsichtig wahrgenommen werden und bewirken das Gegenteil von dem, was bezweckt wurde. Schließlich kann man versuchen, auf eine Löschung zum Beispiel von „Fake- Bewertungen“ hinzuwirken.
Die Plattformen arbeiten da sehr unterschiedlich. Manche haben ein Serviceteam, das sich ernsthaft mit Anfragen auseinandersetzt. Andere lassen einen buchstäblich am langen Arm verhungern.
Nach meiner Einschätzung ist ein fachlich fundiertes Schreiben des Anwalts in einem solchen Fall deutlich wirksamer, daher würde ich in jedem Fall dazu raten. Nur der Anwalt kann die rechtlichen Konsequenzen konkret benennen und Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche für den Geschädigten durchsetzen. Wenn nötig auch mit gerichtlicher Hilfe.
Ganz wichtig: den Faktor Zeit nicht vergessen! Sehr effektive Abhilfe kann man über die Gerichte in Form von einstweiligen Verfügungen erwirken. Sie sind als schnelle Hilfe gedacht, die deswegen unter Umständen nur innerhalb eines Monats nach Kenntnis der schlechten Bewertung gewährt werden. Hat ein Arzt oder eine Ärztin schon auf eigene Faust ein paarmal ohne Erfolg mit der Plattform hin- und hergeschrieben, ist diese Frist meist abgelaufen. Dann bleibt nur der Weg über ein normales, langes Gerichtsverfahren.
Ob und welche rechtlichen Schritte gegen eine Bewertung möglich sind, hängt vom konkreten Fall und vor allem vom Inhalt der Bewertung ab. Und da muss man der manchmal doch unbequemen Wahrheit ins Auge sehen: Eine unliebsame Bewertung ist nur aus der Welt zu schaffen, wenn sie rechtlich angreifbar ist – also beleidigend ist, eine sogenannte Schmähkritik oder unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Hat jemand dagegen eine Meinung in zulässiger Weise geäußert, muss man die Bewertung akzeptieren. Das ist Meinungsfreiheit!
Man muss zunächst zwischen Tatsachenbehauptung und Meinung unterscheiden. Tatsachenbehauptungen sind Aussagen, die objektiv wahr oder eben unwahr sind. Die ich beweisen kann – oder eben nicht. Meinungen hingegen sind immer subjektiv und können nicht bewiesen werden. Sie kann man nur angreifen, wenn sie Rechte anderer verletzen.
Dazu müssen sie entweder formal-rechtlich eine Beleidigung darstellen, wie etwa „Herr Doktor Müller ist ein stinkendes, schwitzendes Schwein“. Oder als sogenannte Schmähkritik so unsachlich sein, dass sie nur noch darauf abzielen, den Gegenüber herabzuwürdigen. Eine Aussage wie „Die Praxis wirkt total heruntergekommen und unhygienisch!“ wäre dagegen wahrscheinlich die Äußerung einer subjektiven Meinung und von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Etwas anders ist die Lage bei Tatsachenbehauptungen: Die Wahrheit muss man im Grundsatz gelten lassen. Unwahrheiten und Lügen genießen aber keinen Schutz.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann versuchen, sich direkt gegen den Bewerter zu wenden oder gegen das Portal. Gegen den Bewerter vorzugehen, ist schon deswegen eine Herausforderung, weil die meisten Bewertungen anonym abgegeben werden.
Erfolgversprechender ist es, die Portale in die Pflicht zu nehmen. Hier eröffnet sich zusätzlich die Möglichkeit, über das Einfordern von Prüfpflichten zum Ziel zu kommen. Ansatz ist die Tatsache, dass bei anonymen Bewertungen immer die Möglichkeit besteht, dass diese erfunden sind. Je weniger Anhaltspunkte für einen echten Patientenkontakt es in den Aussagen gibt, desto zweifelhafter sind die Bewertungen. Die Portale sind dann gehalten, zu prüfen, ob die Aussagen der Bewertung wirklich auf einer echten Begegnung beruhen. Das ist eine Aufgabe, auf die die Portale eher wenig Lust haben, einfach, weil es Arbeit macht. Ein Umstand, den man sich gut zu Nutze machen kann.
Hierfür hat der Bundesgerichtshof die Latte hoch gehängt. Portale, die Mediziner bewerten, leisten demnach einen wichtigen kommunikativen Beitrag zur Transparenz im Gesundheitswesen. Daher ist ihre Tätigkeit im Rahmen der grundrechtlich garantierten sogenannten Kommunikationsfreiheit geschützt. Nur wenn Portale ihre neutrale Vermittlerrolle verlassen, gibt es Möglichkeiten, ganze Profile zu löschen.
Das Thema Reputationsmanagement auf keinen Fall ignorieren! Bewertungsportale existieren und werden von immer mehr Menschen genutzt. Das sind allesamt potenzielle Patienten, da ist es einfach keine gute Idee, sich nicht dafür zu interessieren.
Aber mein wichtigster Rat: Reagieren Sie nicht emotional! Ich weiß, das kann sehr schwerfallen, wenn Bewertungen einfach frech und falsch sind. Trotzdem: tief durchatmen, sachlich die Situation analysieren und die Handlungsoptionen abwägen.
Um eine klare, fundierte Einschätzung zu bekommen, sollte man sich professionellen Rat bei einem im Medienrecht erfahrenen Anwalt beziehungsweise einer Anwältin holen. Meine persönliche Meinung ist, dass sich das immer lohnt. Selbst wenn das Ergebnis ist, dass nichts getan werden kann. Denn auch diese Erkenntnis schafft Klarheit. Andererseits: Wenn man sich wehren kann und will, dann sollte man genau das auch tun!
Ein Rechtsstreit rund um falsche oder rufschädigende Bewertungen im Internet kostet Zeit, Nerven – und Geld. Unser Partner ROLAND Rechtsschutz sorgt mit einem speziellen Baustein für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte dafür, dass Betroffene sich im Streitfall zumindest um die Kosten keine Sorgen machen müssen. Die Beraterinnen und Berater der Deutschen Ärzte Finanz informieren Sie gern. Unten bieten wir Ihnen mehrere Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten.